Dienstag, 29. Januar 2013

Kunst in Kisten

Die „Kunstwerke“ (KW) in der Auguststraße zeigen noch bis zum 17.2.2013 „One on one“, ein Ausstellungskonzept, das darauf basiert, den Einzelnen mit der Kunst allein zu lassen.

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Das Ganze ist hier oder hier schon gut und detailliert beschrieben worden. Kurz gefasst: Die Kunstwerke befinden sich einzeln sich in mehreren begehbaren Box mit Tür, es darf immer nur ein Besucher die Box betreten. Es gibt kein Zeitlimit, manchmal heißt es Schlangestehen. Die ausgestellte Kunst ist sehr unterschiedlich: von der Performance über Videos, Objekte und Installationen bis hin zu Raumillusionen.

Die Ausstellung hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, und ich frage mich, warum eigentlich?

Alleine mit bildender Kunst ist man aufgrund der Besuchermengen in Berlin-Mitte wohl eher selten. Im Stadtmuseum Bochum hingegen oft. Und auch in Krefeld oder in Münster war ich schon die Einzige in Ausstellungen. Und doch ist es anders bei „One on one“. Man ist nicht nur allein, sondern abgeschlossen, unbeobachtet. Man kann das Kunstwerk anfassen, betreten, aufessen, verändern. Neu ist aber auch daran erstmal nichts, Performance und Partizipation sind längst ein alter Hut.

Und dennoch: die Boxen machen es intim und aufregend. Was dort passiert, in diesen Räumen, in diesen Minuten, das weiß nur ich. Das erlebe nur ich. Das verantworte nur ich. Und nur ich selbst kann mich dabei beobachten. Ich kann alles tun oder nichts. Niemand wird es je wissen. Es sei denn, es sind Performer anwesend – oder eine Gucklinse. Doch selbst dann bleibt alles ein Geheimnis. Geteilt, gewusst von zwei oder drei Personen. Für Tausende andere Besucher bleibt es ein Rätsel.

Ich in der Box bin Schrödingers Katze. Lebendig und tot zugleich. Zumindest für alle, die draußen sind.

Aber was ist mit mir selbst? Ich werde dessen Gewahr, dass das Werk erst zu existieren beginnt, wenn ich den Raum betrete. Es existiert, während ich anwesend bin, weil ich anwesend bin. Ich kommuniziere mit dem Werk. Ich befrage es und es befragt auch mich. Ich kann nicht wissen, in welchem Zustand der Künstler es ursprünglich hinterlassen hat. Ich kann es selber verändern. Hier, bei „One on one“ sogar tatsächlich, materiell. Beim zweiten Besuch muss es nicht dasselbe Werk sein. Jemand anders könnte es verändert haben. Oder es kann verändert werden, indem ich mich ändere. Indem ich es anders begreife, wenn ich den Raum ein zweites Mal betrete.

Das Besondere an „One on one“ ist das Gelingen einer Versuchsanordnung: Das Werk ist in einem und es ist ein Raum. Ich bin Teil des Raums – also bin ich Teil des Werks. Die Grenzen sind fließend, ich löse mich auf. Kunst steht nicht zum Verstanden-Werden auf dem Sockel oder hängt an der Wand. Es gibt nicht die eine Aussage und es gibt nicht das eine Ich. Und auch, wenn ich das schon vorher wusste und erfahren habe, werde ich hier mit der Nase darauf gestoßen, für den Fall, dass ich es vergessen haben sollte. Meinen Begleiter frage ich nicht: Hast du das verstanden? Ich frage: Was hast du getan, was hast du erlebt? Und uns beiden ist klar: Es hat immer was mit einem selbst zu tun.

Wirklich großartig finde ich eingedenk dessen die Arbeit von Yoko Ono: Ihr „Telephone piece“ ist ein Telefon, das in der Ausstellung steht, ohne Box. Der Raum dieses Telefons ist das Museum. Wenn es jedoch klingelt, löst sich auch diese größere Box auf. Yoko ruft an, von irgendwo her. Die Box wird die Welt, Kunst wird Kommunikation und Kommunikation wird Kunst. One on one.